0,10 ODER DAS ÜBERLEBEN DER LEERE

1, 4 und 6
Courtesy Michael Müller
und Galerie Thomas Schulte
 

2
Courtesy Bethan Huws

5
Courtesy Lukas Töpfer

16. September 2017 bis 3. Dezember 2017
0,10 ODER DAS ÜBERLEBEN DER LEERE beginnt und endet mit einer Leerstelle: einer Architektur in einer Architektur. Sie fügt dem spätmodernistischen Ausstellungspavillon auf der Potsdamer Freundschaftsinsel einen gläsernen Einbau hinzu, der auf das gerasterte Gebäude und seine Transparenz anspielt, sie kommentiert und interpretiert. Michael Müller und Lukas Töpfer, beide in der Doppelrolle als Künstler und Ausstellungsmacher, haben sich mit der 1968 gegründeten Künstlergruppe Art & Language Dialogpartner für ihre Erkundung gesucht und sie um weitere künstlerische Positionen ergänzt. Das Ergebnis ist eine Gruppenausstellung an der Grenze zwischen zwei gläsernen Räumen.
Kurator:  Lukas Töpfer, Michael Müller
Ausstellungsort:  Freundschaftsinsel
Eröffnung:  Freitag, 15. September 2017 , 18:00

Der Ausstellung soll anstelle eines beschreibenden Textes ein Gleichnis vorangestellt werden:

»Seit Jahrzehnten, vielleicht Jahrhunderten (niemand vermag das genau zu sagen) bereitet mein Volk (mein ›kleines stolzes angstvolles Volk‹, wie wir gerne sagen) sich darauf vor, ›zurück ins Land‹ zu ziehen, ›nach Hause‹, wie wir gerne sagen (obwohl auch niemand so recht zu sagen vermag, was das bedeutet oder früher bedeutet hat). Wir wohnen, so sagen wir, heute ›am Rand einer Scheibe‹, ›kurz vor dem Ende‹ (obwohl auch niemand so recht zu sagen vermag, ob es sich wirklich um eine Scheibe handelt). Das Ende, so sagen wir immer, besteht aus einem ›Rand‹, einem ›äußersten Rand‹, und danach einem ›Abgrund, der ganz am Ende‹ (so der stolze Wortlaut) ›bis ins Unendliche hinunterstürzt‹.

Auch wenn niemand mit Sicherheit sagen kann, dass es sich wirklich um den äußersten Rand handelt (nicht nach dem Rand noch ein weiterer Rand kommt, und dann ein nächster, und immer so fort), so würde doch niemand ernsthaft bezweifeln, dass dort, wo wir wohnen, alles endet. Und obwohl wir ›zurück‹ wollen (wir bereiten uns vor, wir sind immer ›bereit‹, wie wir sagen): Wir bleiben.

Warum ziehen wir nicht ›ins Land‹, ›zurück nach Hause‹? Warum bleiben wir hier? Warum ziehen wir nicht ›in die Mitte‹, dorthin, wo alles (so sagen wir) ›Sinn macht‹?

Wir haben (so sagt man leise) vermutlich die Angst, dass wir nach Jahrzehnten, vielleicht nach Jahrhunderten für immer vergessen, dass es draußen den ›Rand‹ gibt, den ›äußersten Rand‹: den ›Abgrund, der ganz am Ende bis ins Unendliche hinunterstürzt‹. Die Welt wäre wieder grenzenlos. Deshalb (so sagt man) bleiben wir hier.«

Lukas Töpfer