Wolfgang Betke: se faire voyant
Fotos 1, 4, 7, 9, 15
Courtesy Aurel Scheibler, Berlin
Foto: Simon Vogel
Fotos 2, 3, 10, 11, 14
Foto: BKV Potsdam
Fotos 5, 8, 12, 13
Corurtesy Aurel Scheibler, Berlin
Zunächst geht es dabei um die Haltung des Künstlers selbst. Kann er für seine Kunst den Nullpunkt suchen? Sich auf einen Ort beziehen und von Grund auf neu beginnen? Was geschieht, wenn Kunst ohne Hilfskonstruktionen auszukommen versucht, Konzepte über Bord wirft, Programme verweigert, Regeln vergisst? Und wie sehr kann das erklärungshungrige Publikum sich dem Unbekannten, das dabei entsteht, öffnen? Gibt es trotz allem eine gemeinsame Sprache für dieses Experiment?
Die Technik, die Wolfgang Betke dabei anwendet, ist eine Mischung aus Improvisation, Assoziation und intuitiver Selbstkorrektur. Auf großformatigen, mit Aluminiumblech beschlagenen zweiteiligen Tafeln legt er Kompositionen an, die man mit gleichem Recht abstrakt oder figurativ nennen könnte. Tatsächlich scheinen in den Bildkonstruktionen Figurenumrisse auf. Zeichen erinnern wie Chiffren an Objekte, gehen bei näherer Betrachtung aber doch in einem abstrakten Ganzen auf, das sich nicht als Bildprogramm entschlüsseln lässt.
Die wie aufgeklappte Altartafeln im Raum aufgestellten Bildtafeln machen mit jeder Minute, die der Betrachter investiert, deutlicher, dass sie sich einer erklärenden, beruhigenden Ausdeutung verweigern. Im selben Maße aber entlasten sie das Publikum von der Pflichtaufgabe, sich kunsthistorische Voraussetzungen anzueignen, ein malerisches Programm nachzuvollziehen, die Konstruktionslinien eines alle künstlerischen Handlungen anleitenden Konzepts aufzudecken. Nicht ein Erklär-Text hilft hier weiter, sondern die vertrauensvolle Vertiefung in die entstehenden Binnenstrukturen, das Folgen von Form zu Form und die Entdeckung der zeitlichen Schichten, mit denen sich dieser Malerleiprozess angereichert hat.
Denn die wichtigsten Werkzeuge Betkes sind nicht Pinsel und Farbe allein, sondern ein Arsenal von Schleifwerkzeugen. Der Maler fügt hinzu, nimmt weg, malt, schleift ab, wischt, verletzt die Oberfläche, balanciert die Komposition zwischen den entstehenden Leerstellen neu aus und erzeugt so nicht nur eine Geografie der Formen, sondern auch eine Historie der formalen Entscheidungen.
Für die Freundschaftsinsel hat sich Wolfgang Betke sowohl mit der Architektur des Pavillongebäudes als auch mit dem Garten und dem räumlichen und sozialen Umfeld der Ausstellungssituation beschäftigt. Am Ende wird es in dem offenen Experiment auch darum gehen, wie und mit welcher Nähe wir über Kunst sprechen können. Nähern sich unsere Perspektiven an, je ähnlicher die Voraussetzungen sind, unter denen wir an einem gegebenen Ort auf die Kunst schauen? Oder fächern sich unsere Perspektiven in die beliebigsten Richtungen auf? "Se faire voyant", sich sehend zu machen, ist also ein Transparenzprojekt und schließt damit an eine Serie vielbeachteter malerischer Ortserkundungen an, die seit Frank Nitsches "Hello China" und Friederike Feldmanns "Chère Vitrine" immer wieder die Frage nach Anschaulichkeit und Außenbezug zeitgenössischer Malerei in den Fokus gerückt haben.
In Kooperation mit Aurel Scheibler, Berlin.