Olav Westphalen: The Disciplines

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Courtesy: Olav Westphalen
Foto: BKV Potsdam e.V.

14. Januar 2007 bis 25. Februar 2007
Kann Kunst mehr als sich selbst darzustellen? Ist der Kunstbetrieb eine weisere Branche als andere Gewerbe? Verträgt Kunst die Selbsentwaffnung durch Komik? Olav Westphalens Ausstellung im BKV analysiert diese Fragen in einem fragilen Balanceakt zwischen Ironie und Offenheit für populäre Formen. Hier verzichtet die Kunst auf den Schutz durch abgesicherte Institutionen und einen entrückten Kanon des Guten und Schönen. Hier geht es um den Versuch einer Kunst, die ihre eigenen Vorurteile ertappt und demontiert.
Künstler:  Olav Westphalen
Kurator:  Gerrit Gohlke
Ausstellungsort:  Luisenforum
Eröffnung:  Samstag, 13. Januar 2007 , 19:00

Wenn es ein Programm gäbe, mit dem sich Olav Westphalens künstlerische Arbeit umschreiben ließe, dann bestünde es wahrscheinlich darin, die Risse in der bröckelnden Fassade der Jahrmarktsschaustellung Gegenwartskunst auszuleuchten. Dabei wendet er quer durch alle Genres und Medien eine Sprache an, die beständig zwischen positiver neuer Formerfindung und Farce oszilliert, die sich also überzeugend auf die künstlerische Autonomie beruft, diese Autonomie aber schonungslos hartnäckigen Kollisions- und Belastungstests aussetzt.

Mit The Disciplines stellt der 1963 geboren und seit 1996 in New York lebende Künstler dem Publikum in Potsdam zwei geschlossene Werkgruppen vor, die auf ebenso verführerische wie unterhaltsame Weise ein Kernproblem der Gegenwartskunst untersuchen. In zwei Serien teils großformatiger Zeichnungen und anhand dreier Skulpturen fragt Westphalen, nach welchen Kriterien Künstler und Publikum einem Sujet die besondere Würde eines Kunstwerks verleihen. Wie funktioniert der künstlerische Filter, mit dem aus Medienbildern Gemälde oder Zeichnungen werden? Wie viel journalistisches Problembewusstsein haftet einem malerischen Aquarell noch an, das sich sein Motiv aus der modernen Kriegsberichterstattung geliehen hat? Und worin liegt die Legitimation und Besonderheit des künstlerischen Blicks, dem heute wieder vermehrt ein geniehafter Sonderstatus abseits der Medienbilderindustrie unserer Nachrichtensender und Tageszeitungen zugesprochen wird?

In der Potsdamer Ausstellung, die Bilder des 2001 in Afghanistan verhafteten „amerikanischen Taliban“ John Phillip Walker Lindh neben das Presseagenturfoto eines Zoo-Tigers mit verhaltenstherapeutischem Tierspielzeug stellt und mit Versandkatalogillustrationen aus dem Themenbereich der Hundedressur kombiniert, beantwortet Westphalen diese Zweifelsfragen nicht in erster Linie als Zeichner, sondern im Medium der Rauminstallation. Sein Arrangement acht monumental dimensionierter Sujets aus dem Themengebiet Disziplinierung, Dressur und Erziehung mit einer als Skulptur installierten Trittleiter aus einem Fachversand für Hundepflegebedarf ist weniger ein museales Aquarellkabinett als vielmehr ein raumgreifender Bild-Essay über den Transfer von Medienillustrationen in die nicht minder verdächtige Welt der künstlerischen Gegenbilder. Westphalens im vergangenen Jahr entstandene Zeichnungen gleichen einem Rapport über den Nachvollzug eines orientierungslosen Medienangebots. Sie streuen deutliche Zweifel an der Vorstellung eines höheren ordnenden Blicks, mit dem der Künstler geniehaft Sinn im Chaos der Bilder stiften könnte. Westphalen stellt die künstlerische Reaktion auf die politische und soziale Umwelt in eine fast tragikomische Konkurrenz zu den kommerziellen Medienbildern, die unser Bild vom Zeitgeschehen prägen.

Die zweite Werkgruppe der Ausstellung, die bereits 2004 entstandenen Popular Ceramics (obere Etage), unterstreicht diese Haltung, deren Medienkritik sich am Ende als Selbstkritik der Disziplin Kunst erweist. Westphalens Kunstharzobjekte Vase und Small Vase nämlich gehen ihrer Form nach auf studentische Grundkursskulpturen zurück, die der Künstler während seiner Tätigkeit als Professor an der Tyler School of Art in Philadelphia im Lagerregal der Keramikklasse entdeckt hatte. Nachdem er die Studentenarbeiten, die beinahe das gesamte Formvokabular der großen Avantgardeströmungen der Moderne nachzuahmen schienen, fotografiert hatte, begann er eine Auswahl der Objekte zu zeichnen. Dabei wurden die unbeholfenen Formübungen nicht nur in akzeptable Handelsobjekte des Kunstmarktes verwandelt. Sie begannen auch eine formale Karriere, an deren Ende Westphalen selbst die Rolle der Studenten einnahm und auf der Grundlage der grotesken Vorlagen Skulpturen schuf.

Die studentischen Keramiken entwickelten sich dabei vom unzulänglichen Zeugnis mangelnder formaler Kompetenz zu Exempeln der Kunstbetriebsproduktion. Schlimmer noch: Sie scheinen die Frage aufzuwerfen, was die illegitim entstandenen Artefakte eigentlich von legitimen Werken unterscheidet? Sind sie womöglich Musterbeispiele einer Methode ironischer Anverwandlung? Sind sie nicht Parodien, sondern seriöse Arbeitsergebnisse eines künstlerischen Form- und Experimentierwillens, der dem verzweifelten studentischen Formfindungsversuch näher steht als er es sich wünscht?

Olav Westphalen, der nicht nur in den Medien Zeichnung und Skulptur, sondern auch mit Perormances und Installationen arbeitet, zeigt in Potsdam eine künstlerische Sprache, deren Eigenheit in ihrer pointierten Zuspitzung besteht. Fast wie in der politischen Karikatur oder in Unterhaltungsformen wie der Stand Up-Comedy — die er in früheren Werken verarbeitet hat — entwickelt er zeichenhafte Arrangements, die den Betrachter zu schnellen, pointenhaften Schlussfolgerungen verführen. Die komische Pointe steht jedoch nicht am Ende der Arbeit, sondern markiert eher ihren Ausgangspunkt. Welche Rolle Kunst im Labyrinth der medialen Absurditäten, der fadenscheinigen Versprechungen des Kunstbetriebs und der künstlerischen Rollenkonflikte spielt, wird der Betrachter schließlich selbst entscheiden müssen.