Ines Doujak: Ruß und der Virus / Soot and the Virus

Alle Abbildungen:
© 2020 by Ines Doujak
 

Locked in - Ein Magazin über die Abriegelung
Die österreichische Künstlerin Ines Doujak geht in ihrem für Locked in entstandenen Text von einer doppelten Erfahrung aus: Einem den Atem raubenden Brand, der sich 2019 in ihrem Wiener Atelier ereignet hat, und einer frühen Infektion mit dem Covid-19-Virus. An die Stelle des Hin und Her der Meinungen über die Pandemie, diesen seltsam aufgeladenen Glaubenskampf über eine infektiöse Struktur und ihre Bekämpfung, setzt sie die Intimität des körperlichen Gedächtnisses. Der Text schiebt sich zwischen Ruß und Oberfläche, Außenwahrnehmung und Körperempfindung, Atmen und Raum.
Künstler:  Ines Doujak
Projekte: 

Der Lockdown, wie sie es nannten, begann nachzulassen. Ich war endlich einige Tage heraus aus dem Atelier; die Sonne schien hell in klarem Blau. Bumm!! Bombe!! Das Atelier. Feuersbrunst. Schwärze ohne Metapher. Zähflüssiger Ruß klebte an jeder Oberfläche, auch wenn die Sonne immer noch von einem blauen Himmel schien.
Es gab ein Vorher. Und ein Vorher zum Vorher. Im November 2019 konnte ich nicht mehr gut atmen und eines Nachts dann hatte ich das Gefühl, überhaupt nicht mehr atmen zu können. Krankenwagen. Drama. Hektik. Dann Verlangsamung, die langen Minuten aus Unfall und Notfall in einer solchen Nacht.
Das Vorher, der Wendepunkt, an dem der Virus in meinem Orbit wirklich wurde. Das Atelier war Weiß auf grobem Putz. Bei einer Ausstellungseröffnung war die Menschenmenge immer noch groß.
Dann kam alles zu einem Halt, auch meine Arbeit. Freudloser Winterschlaf, Hirnnebel und schlechte Träume. Angehalten, als ob sich in mit einem Mal Vergangenheit und Zukunft nahtlos verbinden würden. Das Bedürfnis, an ein erkennbares Nachher zu glauben.
Ich muss an ein Nachher glauben, damit Dinge sich ereignen können. Ich muss aus der Zeitlosigkeit der Gegenwart herausspringen, aus der Bedingtheit des Halb-nach-dem-Virus. Staubsauger, Hochdruckreiniger, Scheuerschwämme attackieren den schmierigen Ruß, der in die Ziegel und die Substanz der Decke hineinsickert. Handschuhe, Masken, Ventilatoren.
Der Ruß ist jetzt in meinem System, in meinen Lungen, unter der Haut, bedeckt mein Nervenkostüm: von innen her verrußt. Aber vielleicht ist nicht alles verloren, vielleicht finde ich eines Tages das Hinterzimmer.
Das wird radikal.


Lockdown as they called it was easing off. I was at last away from the studio for some days when the sun shone bright in clear blue. Boom!! Bomb!! The studio. Con-fla-grat-ion. Blackness without metaphor. Viscous soot stuck to every surface even while the sun shone in a blue sky.
There was a Before. And a Before the Before. November 2019 I wasn’t breathing well and then one night felt I could not breathe at all. Ambulance. Drama. Rush. Then slowdown, the long minutes of Accident and Emergency on such a night.
The Before at the tipping point when the virus was about to be real within my orbit, the studio was rough walled painted white. At an opening still a big crowd.
Then it stopped suspended, my work too. Joyless hibernation, brain-fog and bad dreams. Suspended as if at one moment the past and the future would be seamlessly reconnected, a need to believe in a recognisable After.
I have to believe in the After to make things happen. I have to jump out of the timelessness of the present, its conditional semi-post-virus. Vacuum cleaners, water blasters, sponge-scourers in the hand attack the smeary soot that seeps into bricks and the ceiling’s substance. Gloves, masks, ventilators.
The soot is now in my system, in my lungs, under the skin, covering up the Nervenkostüm: besooted from within. But maybe not all is lost, maybe one day I´ll find the backroom.
It will be radical.



Der Text wurde von der Künstlerin in englischer Sprache verfasst und übersetzt.

Seit 2020 veröffentlicht der BKV Potsdam parallel zu unseren anderen Projekten ein unregelmäßig erscheinendes Magazin, das wir zugleich immer wieder in Ausstellungsformaten präsentieren. Wir fragen in diesem Projekt Künstlerinnen und Künstler nach ihren Erfahrungen mit Pandemie und Lockdown. Wir publizieren Aussagen und Interviews, Zwischenrufe und Widerreden. Immer wieder wird der Ausstellungsraum dabei zu einer Wandzeitung dieses Dialogs, zu einen Schaukasten subjektiver Erfahrungen und Reflexionen. Mehr zu Locked in und weitere Künstlertexte: Hier


© 2020 by Ines Doujak / BKV Potsdam

Mittwoch, 29. Juli 2020