Projekt "Neue Auftraggeber" mit Zukunftspreis ausgezeichnet

1, 2, 6, 7, 9
Fotos: Michael Lüder  BKV Potsdam
 

3, 8
Fotos: Victoria Tomaschko / GNA

4
Foto: BKV Potsdam

5
Foto: Rene Arnold / Stiftung Genshagen

Der BKV Potsdam ist seit 2011 Stützpunkt der prämierten Inititiative und entwickelte ihr Brandenburger Pilotprojekt
Die Gesellschaft der Neuen Auftraggeber ist am 8. Juli 2021 mit dem Zukunftspreis für Kulturpolitik KULTURGESTALTEN in der Kategorie „Initiativ- und Netzwerkprojekte“ ausgezeichnet worden, der im Auftrag der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien (BKM) am Donnerstag vergeben wurde. Mit der Verleihung des neuentwickelten Preises zeichnet die Kulturpolitische Gesellschaft e.V. vorbildliche Initiativen und herausragende Praxisbeispiele zukunftsweisender Kulturpolitik aus. "Neue Auftraggeber" ist eine europäische Initiative, die seit 1990 zunächst in Frankreich entstanden war und später auch in Deutschland Fuß gefasst hat. Heute ist der Brandenburgische Kunstverein einer von vier aktuell aktiven Ankerpunkten des Projektes in Deutschland. Seit 2011 leistet er dabei Pionierarbeit in Brandenburg und hat modellhaft dazu beigetragen, die Idee einer "Kunst im Bürgerauftrag" auch hierzulande zu etablieren.

Der Preis will neue Aufmerksamkeit für innovative kulturpolitische Praxis, Visionen und Leitbilder schaffen und das damit verbundene besondere gesellschaftliche Engagement sichtbar machen. Der Zukunftspreis wird alle zwei Jahre in den drei Kategorien „Einzelprojekte“, „Initiativ- und Netzwerkprojekte“ und „(Modell-)Projekte kommunaler Selbstverwaltung“ vergeben und ist mit insgesamt 15.000 Euro dotiert. Die Kulturpolitische Gesellschaft e.V. (KuPoGe), gegründet 1976, ist eine parteipolitisch unabhängige, bundesweite Vereinigung von kulturpolitisch interessierten und engagierten Menschen und Organisationen.
 
„Neue Auftraggeber ist ein innovatives, partizipatives Modell für eine an aktuellen gesellschaftspolitischen Bedarfen ausgerichtete Kulturpolitik, die ,Kultur von allen für alle‘ demokratisch ermöglicht. Der Ansatz bietet ein thematisch offenes Format zur konkreten Gestaltung des Diskurses, ist skalierbar und für verschiedene Inhalte und Strukturen nutzbar. Breitenwirkung erreicht das Projekt durch die Arbeit in bundesweit mehreren Modellregionen“, begründet Dr. Tobias Knoblich, Präsident der Kulturpolitischen Gesellschaft, in seiner Laudatio am gestrigen Donnerstag die Entscheidung der Jury.
 
„Wir freuen uns außerordentlich über die Auszeichnung mit dem Zukunftspreis“, so Alexander Koch, Direktor der Gesellschaft der Neuen Auftraggeber. „Er gilt einem ganzen Netzwerk von Bürgergruppen, Kulturschaffenden und ihren Partner*innen, die wir als Gesellschaft der Neuen Auftraggeber begleiten und dabei unterstützen, mit ambitionierten Projektvorhaben ein Stück Umwelt und Gemeinschaft neu zu gestalten.“

Dabei wird das Projekt in den deutschen Regionen von dort zivilgesellschaftlich verankerten Ankerpunkten getragen. Sie bringen ihre Netzwerke ein und helfen, die Idee der Kunst im Bürgerauftrag in Städten und Dörfern zu vermitteln und lokal zu übersetzen. "Wir sind stolz, Teil dieser Inititiative zu sein", erklärt Carsten Hensel, Vorstandsvorsitzender des BKV Potsdam. "Wir haben uns in diesem Projekt seit über zehn Jahren intensiv engagiert, als es noch kaum auf Akzeptanz in Deutschland gestoßen ist. wir fühlen uns als Teil eines Kulturwandels, der Kunst und Kultur nicht länger als Privileg einer urbanen Schicht in großen Metropolen sieht, sondern die Zukunft von Quartieren und Dörfern auch als Frage kultureller Teilhabe versteht." Dabei arbeitet der Verein aktiv daran mit, renommierte Künstlerinnen und Künstler auch in regionale Räume zu bringen und dort einen Dialog auf Augenhöhe zu moderieren. "Dörfer sind nicht länger einfach nur, was sie immer waren. Sie verändern sich", beschreibt die Schatzmeisterin des BKV, Romy Range, die Zielrichtung des Projekts: "Wenn Dörfer wachsen wollen, statt zu schrumpfen, und aktiv ihre Zukunft gestalten wollen, dann brauchen sie Kunst und Kultur so notwendig wie Berlin, Leipzig oder Stuttgart."
 
Von einem "Modellprojekt einer demokratischen Kultur mit gleichzeitig hohem künstlerischen Anspruch", spricht Hortensia Völckers, Künstlerische Direktorin der Kulturstiftung des Bundes, und ist überzeugt, dass die Methode der Neuen Auftraggeber, "in Deutschland Schule machen wird. Die Kulturstiftung des Bundes versteht sie als Anerkennung für ein gelungenes Zusammenwirken von Kunst und Politik, bei dem die Interessen der Zivilgesellschaft Maßstab ihres Handelns sind.“

Das Modell Neue Auftraggeber vereint auf neuartige Weise bürgerschaftliches Engagement mit den Möglichkeiten der zeitgenössischen Künste. Professionelle Kulturmediator*innen bieten bürgerschaftlichen Gruppen die Möglichkeit, als Neue Auftraggeber künstlerischer Projekte initiativ zu werden. Diese Kunstprojekte im Bürgerauftrag leisten einen grundlegenden Beitrag zur Stärkung kultureller Teilhabe insbesondere an Orten und in sozialen Umwelten, wo diese Teilhabe nicht selbstverständlich ist. Die Bürger*innen nehmen starken Einfluss auf die Projekte: Als Auftraggeber*innen starten sie selber eine Projektinitiative, stellen die entscheidenden Weichen im Prozessverlauf und übernehmen Verantwortung für Anliegen der Gemeinschaft. So erfahren lokale Gemeinschaften vom kleinsten Dorf bis zum städtischen Großquartier ihre konkrete Handlungsfähigkeit. Sie erleben, wie Zukunft unabhängig von Herkunft und Vorerfahrungen kreativ gestaltet werden kann, und werden dabei oftmals von Verwaltungen und Institutionen unterstützt.
 
Die Auftragsprojekte widmen sich meist Themen, die für Bürger*innen wichtig und dringlich, oft aber schwer zu greifen sind. So ist etwa der Wunsch nach mehr Zusammenhalt in lokalen Gemeinschaften ein wiederkehrendes Anliegen, das gestalterischer Visionen bedarf. Die Projekte der Neuen Auftraggeber bieten Kulturschaffenden aller Sparten, Kultureinrichtungen, öffentlichen Institutionen und Verwaltungen eine Möglichkeit, die eigenen Kompetenzen und Ressourcen mit diesen bürgerschaftlichen Anliegen zu verknüpfen und öffentliche Relevanz und Akzeptanz gemeinsam zu entfalten. Damit stärkt Kunst im Bürgerauftrag ein hohes Gut: das Erleben demokratischer Kooperation zwischen bürgerschaftlichem, staatlichem und kreativ-innovativem Handeln.
 
Derzeit sind die Künstler*innen Kerstin Brätsch, Ruth Buchanan, Construct Lab, Simon Denny, Lena Henke, Daniel Knorr, Antje Majewski, nachbars garten, Rimini Protokoll und Laure Prouvost in Deutschland im Auftrag von Bürger*innen aktiv.
 
Die Neuen Auftraggeber wurden 1990 in Frankreich als Les Nouveaux Commanditaires gegründet. Heute haben sie sich als ein internationales Netzwerk unabhängiger Initiativen und lokaler Gruppen etabliert und schauen auf 500 realisierte Projekte zurück, hinter denen die Auftragsanliegen tausender von Bürger*innen stehen.
 
In Deutschland wird die Gesellschaft der Neuen Auftraggeber seit 2017 von der Kulturstiftung des Bundes mit einer fünfjährigen Anschubfinanzierung unterstützt, um Bürgergruppen in kleinen Kommunen, ländlichen Räumen und großen Städten zur Seite zu stehen bei dem mutigen Experiment, der Kunst aufs Neue zuzutrauen, Antworten auf wichtige Lebensfragen der Zeit zu geben. Der Politiklandschaft in Deutschland bietet die Kunst im Bürgerauftrag ein starkes Modell für die nachhaltige Verschränkung von Kultur- und demokratischer Teilhabepolitik.

 

Mehr Informationen

Neue Auftraggeber in Brandenburg
Die aktuellen Projektorte der Initiative Neue Auftraggeber in Brandenburg
Über die Neuen Auftraggeber in Deutschland: Die Gesellschaft der Neuen Auftraggeber in Berlin
Les Nouveaux Commanditaires: Neue Auftraggeber in Europa
Die Sieben Künste von Pritzwalk - das Pionierprojekt in Brandenburg

Freitag, 9. Juli 2021