Sabine Hornig: Im Zwischenraum des utopischen Gedächtnisses
1, 3 und 4
Entwurfsabbildungen:
Studio Sabine Hornig
2, 5 und 6
Fotos: Nicholas Knight, Sherri Nicole Miller, John Girardi und Sabine Hornig
La Guardia Vistas, 2020
Commissioned by LaGuardia Gateway Partners in partnership with Public Art Fund
Dauerhafte Installation LaGuardia Flughafen, New York, kuratiert durch den Public Art Fund, New York
Hornig setzt damit eine vielbeachtete Werkserie im öffentlichen Raum fort, in der sie sich mit dem Selbstverständnis offener Gesellschaften auseinandersetzt, wie etwa 2020 in einer fast 13 Meter hohen Installation auf der Glasfassade des New Yorker La Guardia Airports. Dort verschmolzen die Geometrien der Metropole mit Textfragmenten zu einem Mikrokosmos der Kulturen. Auch eine gerade entstehende Arbeit an einem Neubau des Deutschen Bundestages befasst sich mit dem Spannungsverhältnis von Demokratie- und Baugeschichte.
In Potsdam wird Hornig die gesamte Glasfassade des 1973 errichteten, spätmodernen Glaspavillons bearbeiten. Ihre Installation verwandelt die Pavillonscheiben in einen weitläufigen Bilderbogen, auf dem Demonstrationsszenen, Fassaden des Typenwohnungsbaus aus der Entstehungszeit des Gebäudes und Funktionsarchitekturen der deutschen Demokratiegeschichte miteinander verschmelzen. Ausschnitte des barocken und klassizistischen Potsdam stehen dazu in scharfem Kontrast, als müsste sich der demonstrierende Souverän in einem entfesselten Patchwork aus Nostalgie und Utopie, rational gestalteter Gleichheit und theatralischem Pathos neu positionieren.
In Sabine Hornigs „Zwischenraum des utopischen Gedächtnisses“ mischen sich Abrissszenen aus der Rückabwicklung der modernen Stadt mit historischen Momenten, in denen öffentliche Gebäude zur stummen Bühne für demokratische Aufbrüche wurden. Die Identität unserer Stadt wird selbst als zusammengesetztes künstliches Gebilde erkennbar – in dem wir täglich neu darüber entscheiden, wie wir einander begegnen wollen und ob wir uns an die Gleichheitsversprechen der Moderne noch erinnern wollen.
Dass Architektur in dieser Sicht kein Imagebaukasten für Vermögende, sondern ein Anspruch an unsere Wahlfreiheit ist, unterstreichen die Objekte, die sich im Innenraum der Installation befinden. Eine 2,10 Meter hohe Gitterstruktur trägt den Titel „Wahlkabine“, bietet aber keinen Schutz für geheime Wahlen, sondern setzt die Menschen beobachtenden Blicken aus und schränkt dabei ihre Bewegungen ein. In einem zweiten Objekt fügen sich Vokabeln der Öffnung und solche der Abgrenzung in einem Paravent zusammen. Architektur besteht hier aus den Worten, in denen über sie und unsere Gesellschaft gestritten wird. Bauen verspricht utopische Hoffnungen und setzt doch Grenzen. Die Entscheidung darüber, was überwiegt, liegt bei uns selbst.
Sabine Hornig lebt lebt und arbeitet in Berlin und hat mit Skulpturen, Fotoarbeiten und Kunst im öffentlichen Raum internationale Aufmerksamkeit gefunden. Sie schloss die Hochschule der Künste Berlin 1992 als Meisterschülerin ab. Ihre Werke sind in zahlreichen privaten und öffentli- chen Sammlungen zu sehen, unter anderen im Museum of Modern Art (MOMA) New York, im Hirshhorn Museum of Art Washington und der Pinakothek der Moderne München.