Katrin Lock / Tim Brotherton: Service World
Fotos 1 - 6
Courtesy: Katrin Lock / Tim Brotherton
Courtesy: Katrin Lock / Tim Brotherton
Brazil Germany England - Hopes and Realities 2006-2007
25. März 2007 bis 6. Mai 2007
Künstler:
Katrin Lock / Tim Brotherton
Ausstellungsort:
Luisenforum
Eröffnung:
Samstag, 24. März 2007
, 19:00
Die Ausstellung "Service World" schließt an ein überaus erfolgreiches Projekt aus dem Jahr 2005 an. Hatten damals 13 KünstlerInnen den Realitätsgehalt wirtschaftlicher Großprojekte untersucht, nimmt die in London lebende Künstlerin Katrin Lock gemeinsam mit dem Fotografen Tim Brotherton die Gegenperspektive ein. Ihr Interesse richtet sich auf das untere Ende der globalen Dienstleistungsgesellschaft. Verschmilzt die globalisierte Wirtschaft auch die Tellerwäscher und Fensterputzer zu einem weltweit universalen Geschäft? Wie organisieren sich die Menschen, denen unser ökonomisches System nur die Brosamen zugedacht hat?
Katrin Locks und Tim Brothertons Service World ist dabei weniger ein Projekt klassischer Sozialkritik als ein aufmerksames Protokoll des Kontrasts, der entsteht, wenn das Individuum und die ökonomischen Konventionen der Gesellschaft aufeinanderstoßen. Für eine Serie von Fotografien haben Lock und Brotherton London und seine Umgebung, Rio de Janeiro, São Paulo und schließlich Berlin und Brandenburg bereist, um Autowaschbetriebe zu fotografieren. Dabei geht es weniger um eine klassische Arbeitsdokumentation, in der technische Verfahren und handwerkliche Gesten aufgezeichnet würden.
Die 70 x 70 cm großen Lambdadrucke bilden vielmehr ein ästhetisches Archiv der Unternehmenskultur. Nicht allerdings einer Kultur der weltweiten Marken, des Branding und der Corporate Identity, sondern einer Kultur der Selbstorganisation. Service World zeigt ein Gewerbe, das eine wirtschaftliche Nische zum Überlebenskampf nutzt. Zu sehen ist dabei aber nicht eine Ästhetik des Elends oder der Armut, sondern der manchmal kreative, manchmal mühsam erzwungene Versuch, ein Angebot am Rand der Gesellschaft als attraktives Produkt zu verkaufen. Von der fantasievollen Uniformierung bis zur Typografie der Werbetafeln ist hier eine Anpassungsleistung zu beobachten, in der ein zumeist der Geldnot abgetrotztes Kleingewerbe die Sprache des Big Business spricht. Zwar geschieht dies in einer lokalen Übersetzung und mit beschränktem Vokabular. Der Versuch, dem Wohlstandsgefälle einen selbständigen Standort abzutrotzen, führt aber zu einer lokal sehr verschiedenartigen Anpassung an die geltenden Regeln des Marketing. Auch der individuelle Trotz gegen die Armut braucht Logos und Werbesprüche, Wimpel und Unternehmensfarben. Lock und Brotherton zeigen deshalb zunächst keine eiligen politischen Schlussfolgerungen, sondern die empirische Bestandaufnahme einer Mischung aus Anpassung und Autonomie. Autowäsche wird hier nicht als Aufstiegstraum beschrieben, der aus Hilfsarbeitern Millionäre macht. Die distanzierten, stets einen Schritt Abstand wahrenden und mit Erlaubnis der Fotografierten zustande gekommenen Arbeiten, zeigen vielmehr die Aneignung wirtschaftlich-ästhetischer Codes. Sie demonstrieren die Mimesis des Geldverdienens – und zeigen dabei interessante und unübersehbare Unterschiede zwischen Brasilien, Großbritannien und Deutschland auf.
Die Fotografien werden in der Potsdamer Ausstellung durch eine Serie von Linoldrucken ergänzt, in denen Fragmente und Gedankensplitter ökonomischer Reflexion, Slogans, Zwischenrufe und Zitate zu einem ironischen Spiel mit der künstlerischen Anverwandlung werden. Katrin Lock präsentiert Momentaufnahmen einer unablässig kreisenden Diskussion wie Sinnsprüche an den Wänden. Mit Blattgold veredelt und in einer klassischen Technik ausgeführt, wird hier der ökonomische Diskurs zwar zunächst zu einer anarchischen Geste. Diese Geste indes wird zum Dekor umfunktioniert. So wird die dokumentarische Service World von einer Reihe von Ornamenten begleitet, die in scharfem Kontrast zur praktischen Welt der wandlungsfähigen, pragmatischen Selbstorganisation stehen. Katrin Locks Drucke sind Fragmente des ideologischen Überbaus der Weltökonomie. Auch von dieser Reflexion hat sich die dokumentierte Welt der Autowäscher und Servicekräfte schon emanzipiert.
Katrin Locks und Tim Brothertons Service World ist dabei weniger ein Projekt klassischer Sozialkritik als ein aufmerksames Protokoll des Kontrasts, der entsteht, wenn das Individuum und die ökonomischen Konventionen der Gesellschaft aufeinanderstoßen. Für eine Serie von Fotografien haben Lock und Brotherton London und seine Umgebung, Rio de Janeiro, São Paulo und schließlich Berlin und Brandenburg bereist, um Autowaschbetriebe zu fotografieren. Dabei geht es weniger um eine klassische Arbeitsdokumentation, in der technische Verfahren und handwerkliche Gesten aufgezeichnet würden.
Die 70 x 70 cm großen Lambdadrucke bilden vielmehr ein ästhetisches Archiv der Unternehmenskultur. Nicht allerdings einer Kultur der weltweiten Marken, des Branding und der Corporate Identity, sondern einer Kultur der Selbstorganisation. Service World zeigt ein Gewerbe, das eine wirtschaftliche Nische zum Überlebenskampf nutzt. Zu sehen ist dabei aber nicht eine Ästhetik des Elends oder der Armut, sondern der manchmal kreative, manchmal mühsam erzwungene Versuch, ein Angebot am Rand der Gesellschaft als attraktives Produkt zu verkaufen. Von der fantasievollen Uniformierung bis zur Typografie der Werbetafeln ist hier eine Anpassungsleistung zu beobachten, in der ein zumeist der Geldnot abgetrotztes Kleingewerbe die Sprache des Big Business spricht. Zwar geschieht dies in einer lokalen Übersetzung und mit beschränktem Vokabular. Der Versuch, dem Wohlstandsgefälle einen selbständigen Standort abzutrotzen, führt aber zu einer lokal sehr verschiedenartigen Anpassung an die geltenden Regeln des Marketing. Auch der individuelle Trotz gegen die Armut braucht Logos und Werbesprüche, Wimpel und Unternehmensfarben. Lock und Brotherton zeigen deshalb zunächst keine eiligen politischen Schlussfolgerungen, sondern die empirische Bestandaufnahme einer Mischung aus Anpassung und Autonomie. Autowäsche wird hier nicht als Aufstiegstraum beschrieben, der aus Hilfsarbeitern Millionäre macht. Die distanzierten, stets einen Schritt Abstand wahrenden und mit Erlaubnis der Fotografierten zustande gekommenen Arbeiten, zeigen vielmehr die Aneignung wirtschaftlich-ästhetischer Codes. Sie demonstrieren die Mimesis des Geldverdienens – und zeigen dabei interessante und unübersehbare Unterschiede zwischen Brasilien, Großbritannien und Deutschland auf.
Die Fotografien werden in der Potsdamer Ausstellung durch eine Serie von Linoldrucken ergänzt, in denen Fragmente und Gedankensplitter ökonomischer Reflexion, Slogans, Zwischenrufe und Zitate zu einem ironischen Spiel mit der künstlerischen Anverwandlung werden. Katrin Lock präsentiert Momentaufnahmen einer unablässig kreisenden Diskussion wie Sinnsprüche an den Wänden. Mit Blattgold veredelt und in einer klassischen Technik ausgeführt, wird hier der ökonomische Diskurs zwar zunächst zu einer anarchischen Geste. Diese Geste indes wird zum Dekor umfunktioniert. So wird die dokumentarische Service World von einer Reihe von Ornamenten begleitet, die in scharfem Kontrast zur praktischen Welt der wandlungsfähigen, pragmatischen Selbstorganisation stehen. Katrin Locks Drucke sind Fragmente des ideologischen Überbaus der Weltökonomie. Auch von dieser Reflexion hat sich die dokumentierte Welt der Autowäscher und Servicekräfte schon emanzipiert.