Erklärung zum Angriff auf die Ukraine

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Dörte Grimm, 2016

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Courtesy KOW, Berlin
Fotos: Alexander Koch, KOW

Stellungnahme des BKV
Es ist wieder Krieg in Europa. Krieg und Gewalt sind stets das Gegenteil von Kultur. Ein Krieg in unserer Nachbarschaft aber, der sich durch nationalistische Beschwörungen und konstruierte historische Argumente legitimiert, als habe es die schrecklichen Erfahrungen des 20. Jahrhunderts nicht gegeben, ist ein Angriff auf das Selbstverständnis und die Werte der zeitgenössischen Kunst und Kultur.

Als Kunstverein sind wir nur ein Schaufenster für Künstlerinnen und Künstler mit den unterschiedlichsten Herkünften, politischen Einstellungen und historischen Erfahrungen. Unsere Aufgabe ist es, ihnen Raum zu geben, damit die Kunst zur Sprache kommt. Der Krieg aber bringt die Kunst zum Schweigen. Er bedroht alle Künste. Er nimmt dem Engagement, der Reflexion, dem Eigensinn, dem Widerspruch, der Abweichung und der Kritik die Luft zum Atmen.

Wenn nun Russland die Ukraine angreift, ist das nicht nur ein Angriff gegen das Völkerrecht und die Demokratie, gegen die jede kulturelle Institution protestieren muss. Der Krieg tötet Menschen und er wird unzählige Kulturgüter zerstören.

Was uns als Kunstvermittlerinnen und Vermittler aber besonders quält, ist das Verstummen der Künstlerinnen und Künstler, das dieser Krieg zur Folge haben wird, weil kulturelle Plattformen attackiert werden, Freiräume verschwinden, die Stimme der Kultur im Lärm des Krieges unhörbar wird, in der Ukraine ebenso wie in Russland. In Kiew wie in Moskau, in Petersburg und Odessa ist in den letzten Jahrzehnten ein aktivistische Kulturszene entstanden, die sich mutig, kreativ, vernetzt, und Grenzen überwindend für Demokratie eingesetzt hat.

Die osteuropäische Netzkunst-Avantgarde war ein Motor und Ansporn für digitale Demokratisierungsprojekte in aller Welt und auch bei uns. Über unser bürgerschaftliches Projekt „Neue Auftraggeber“ haben wir mit Aktivistinnen auch aus Kiew diskutiert. Als wir 2014 das Kollektiv Chto Delat? aus Moskau, Nischni Nowgorod und Petersburg zeigten, in dem neben Künstler:innen auch Kritiker:innen, Philosoph:innen und Schriftsteller:innen nach einer neuen Sprache des politischen Handelns suchten, hat das uns und unser Publikum auf ganz neue Weise mit wichtigen Fragen nach Kollektivität und Solidarität konfrontiert.

Der Krieg zerstört nicht nur Kunstwerke. Er schneidet Dialoge ab. Er lässt vergessen, dass nicht die disneyhaften staatlichen Selbstinszenierungen, die uns aus Moskau erreichen, die russische Kultur repräsentieren, sondern jene Intellektuellen, Kulturschaffenden, die zur Zeit in Russland gegen den Krieg protestieren oder an der Gewalt verzweifeln. Und er verengt die Räume, in denen vor allem eine junge Generation von Aktivistinnen und Aktivisten Demokratie in der Ukraine fester verankern wollte.

Wir sind erschüttert. Unsere Solidarität gilt allen Menschen in der Ukraine, den Opfern des Krieges und ebenso all Jenen, die sich in Russland gegen Gewalt und Aggression aussprechen.


Vorstand, künstlerische Leitung und Team des BKV Potsdam

Sonntag, 27. Februar 2022