Abweichung

Fotos 1, 4 + 7
Ausstellungsansicht "Abweichung"
Courtesy: BKV Potsdam e.V.
Foto: Michael Lüder

Fotos 3 + 12
Links:
Citizens for Decent Literature
Perversion for Profit, 1965
Courtesy: Prelinger Archive
Rechts:
Buster Keaton/Edward F. Kline
Cops, 1922
Courtesy: Public Domain
Foto: Michael Lüder

Fotos 2, 6 + 10
Jack Smith
Flaming Creatures, 1963
Courtesy: Jack Smith Archive; Gladstone Gallery, New York/Brüssel
© VG Bild-Kunst, Bonn 2012
Foto: Michael Lüder

Foto 5
Jonathan Pouthier, Kurator der Ausstellung "Abweichung"
Courtesy: BKV Potsdam e.V.
Foto: Gerrit Gohlke

Foto 8
Joëlle de La Casinière
La première partie du roi Henri IV., 1973
Courtesy: Joëlle de La Casinière
Foto: Michael Lüder

Fotos 9 + 10
Barbara Hammer
I was / I am, 1973
Courtesy: KOW; Berlin
Foto: Michael Lüder

Foto 11
Len Lye
Free Radicals, 1958/79
Courtesy: Len Lye Foundation, Govett-Brewster Art Gallery und New Zealand Film Archive
Foto: Michael Lüder

Video- und Filmpositionen über das Abweichen, Abweichler und unsere Vorstellung von Außenseitern
6. November 2011 bis 27. November 2011
In unserer Reihe mit jungen Nach- wuchsausstellungsmachern hat sich der Pariser Filmkurator Jonathan Pouthier am Ende seines Berlinaufenthalts an einen Klassiker der soziologischen Literatur erinnert. Den Anstoß zu seiner Aus- stellung im BKV gab Howard S. Beckers "Außenseiter", in dem nicht nur ab- weichendes Verhalten als schrittweise Entfremdung zwischen Mehrheit und Abweichler beschrieben wird, sondern nach dem "Regelsetzer" gefragt wird.
Kurator:  Jonathan Pouthier
Ausstellungsort:  Freundschaftsinsel
Eröffnung:  Samstag, 5. November 2011 , 18:00

Man muss kein Parteisoldat in Zeiten der Finanzkrise sein, um zu wissen, dass Abweichlern bittere Strafen drohen. Beschimpfungen durch den Kanzleramtsminister zählen zu den milderen Sanktionen. Manchmal droht auch die Aus- bürgerung, soziale Stigmatisierung, Ächtung der Familie oder nackte Gewalt. Doch was macht den Abweichler zum angreifbaren Sonderling? Wer legt fest, was unpassend, übertrieben fremdartig, ungehörig anders ist? Bestimmen höhere Instanzen, welche Abweichung wir uns leisten können und welche lieber nicht? Oder entscheiden wir selbst, wer zum Außenseiter wird und wann wir Außenseiter sind?

"Regeln sind Produkte einer Initiative, die jemand ergreift", sagt Howard S. Becker, "und wir können uns Menschen, die eine solche Initiative ergreifen, als moralische Unternehmer vorstellen." Vom reformerischen Kreuzzügler bis zur regeldurchsetzenden Organisation reicht Beckers Analyse des moralischen Mehrheitsbeschaffers. Abweichung entsteht demnach nie automatisch, und darum geht es Pouthier. Im regelbewussten und regeldurchsetzenden Medium Film sucht er nach den Entscheidungen, die nicht nur Menschen, sondern auch Kunstwerke zu Außenseitern machen. Seine Ausstellung soll uns animieren, unser eigenes "moralisches Unternehmertum" in Frage zu stellen.

"Indem es die Kontrollmechanismen freilegt, durch die man zum Außenseiter wird, versucht dieses Ausstellungsprojekt unsere Aufmerksamkeit zu schärfen: Einerseits für die Komplizenschaft, mit der wir bestimmte moralische Regeln reproduzieren, andererseits für die Möglichkeiten, die sich uns eröffnen, wenn wir diese Regeln neu erfinden und die Freiheit gewinnen, ein verändertes Verhältnis zu abweichenden Kulturen zu entwickeln", schreibt Pouthier.

Der Pavillon auf der Freundschaftsinsel, abgedunkelt und abgeschottet, wird für diese Ausstellung zum Kinosaal. Er wird aber auch zu einer geschlossenen Box, in der uns das Fremde begegnet. Die Außenseiter stehen vor uns und wir bemerken, dass Kunst seit Jahrhunderten von ihrem Mut zur Abweichung und ihrer Sympathie mit den Außenseitern lebt. Die Abweichung kann nicht entweichen aus Pouthiers verhängter Kammer. Wir können uns ihr aber nähern und mit Hilfe des durchaus unterhaltsamen Medium Film unsere Regeln justieren.

Mit freundlichem Dank an Arsenal - Institut für Film und Videokunst e.V., Jack Smith Archive und Gladstone Gallery, New York und Brüssel, Len Lye Foundation, Govett-Brewster Art Gallery and New Zealand Film Archive, Joëlle de La Casinière und KOW Berlin